Mit dem Mietwagen fahren wir von Funchal aus quer durch die Insel nach Sao Vicente. Der alte Ortskern von Sao Vicente liegt in einem üppig grünen Flusstal. Hier verlassen wir die gut ausgebaute Schnellstraße und fahren, sofern erlaubt, die alte Küstenstraße Richtung Porto Moniz. In Seixal machen wir den nächsten Halt. Die komplette Bevölkerung ist auf den Straßen zugange, Blumengirlanden werden aufgehängt, Holzkohlegrills stehen mitten auf der Dorfstraße. Hier findet am Wochenende offensichtlich ein großes Fest statt. Die alte Küstenstraße bei Seixal ist komplett gesperrt. Ein Erdrutsch im Winter 2008 zerstörte die spektakulärste Strecke der Estrada Antiga. Hinter dem Wasserfall Veu da Noiva, der eine senkrechte Felswand hinab ins Meer stürzt, verlief in einem kurzen Tunnel die ansonsten fast frei über dem Meer schwebende Küstenstraße. Madeira gleicht jetzt einem Schweizer Käse, längs und quer von Straßentunnels für die neuen Schnellstraßen durchzogen. Wir fahren weiter nach Porto Moniz. Hier gibt es das bizarrste Strandbad, das ich je gesehen habe. Naturpools, die von der Meeresbrandung ins Lavagestein genagt wurden, von Menschenhand noch etwas badegastfreundlich mit Beton nachmodelliert. Bei Flut schwappen die größeren Wellen (und Meeresgetier) in die Naturpools und sorgen für den Wasseraustausch. Wir haben keine Badesachen dabei und es sind uns auch zu viele Reisebusse in Porto Moniz, sodass wir den Ort in Richtung Hochebene verlassen. Die Landesstraßen 101 und 105 sind Passstraßen mit engen Kehren, rechts geht es senkrecht runter und links schießt das Wasser am Fels entlang den Berg runter. Der kleine Mietwagen packt die Bergfahrt von Meereshöhe auf 1300 Meter rauf fast nicht, vor den Kehren muss in den ersten Gang zurückgeschaltet werden. Bei der Talfahrt hoffen wir darauf, dass die Bremsen durchhalten und uns kein Reisebus oder LKW entgegenkommt. Talwärts schießt ja rechts das Wasser in Rinnen den Berg runter und wenn beim Ausweichmanöver das rechte Vorder- oder Hinterrad in die Rinne rutscht, dann ist das Auto hin. Wir erreichen die Hochebene Paul da Serra, hier gibt es auch Levada-Wanderwege. Wir wollen die Levada Casata do Risco/25 Fontes begehen und stellen fest, dass die Beschreibung vom aktuellen Reiseführer auch hier daneben liegt, denn die letzten 1,5 Kilometer bis zum Einstieg in die Levada sind für den normalen Autoverkehr gesperrt. Wir parken mit gefühlten hundert Fahrzeugen auf dem Parkplatz an der Landstraße 105. Zum Rabacal-Haus, dem Einstieg in die Levadas, verkehrt ein Shuttlebus, wie wir auf halber Strecke feststellen können. Die Menschenmassen verteilen sich gut entlang der Lavada, wir können ohne Stau bis zu den Wasserfällen laufen. Kräftig grüner Baumfarn, Moos, tausende Aliumblüten, Hortensien, Lorbeerbäume und sonstige exotische Blumen, Sträucher und Bäume säumen die Levadawege. Unglaublich wie viel Wasser die Hänge und Felsen hinabfließt und mit welch unvorstellbarem Kraftaufwand bereits im 15. Jahrhundert die Levadas von den ersten Siedlern angelegt wurden, um Wasser in die Zuckerrohrplantagen zu leiten. Levadas leiten über Kilometer hinweg das Wasser von den feuchten Nordabhängen in den trockenen Inselsüden. Unter Lebensgefahr, an senkrechten Wänden in Körben hängend, schlugen die Arbeiter mit der Spitzhacke die Kanäle in die Felswand. Anfang des 20. Jahrhunderts förderte der Staat den weiteren Ausbau der Levadas; die neueren sind auch nicht mehr mit Pflastersteinen ausgekleidet, sondern mit Beton. Insgesamt sind es 2000 Levada-Kilometer. Nach unserer Wanderung nehmen wir den Shuttlebus zurück zum Parkplatz und fahren über die Hochebene in einer dicken Wolkendecke Richtung Südküste. Abendessen gibt es in Funchal in einem der Restaurants am Hafen. Der Hafen in Funchal ist derzeit eine Großbaustelle, die Zerstörungen vom Unwetter im Mai 2010 werden beseitigt und in diesem Zuge wird gleich ein neues Kreuzfahrtterminal gebaut. Gastliegeplätze gibt es derzeit keine, im ausgewiesenen Ankerfeld liegen Arbeitsplattformen für den Hafenumbau. Wir werden auf jeden Fall mit der Sunrise in der Quinta do Lorde Marina bleiben und vor dort aus unsere Inselerkundungen unternehmen.