Tag 19 der Odyssey

Sonntag, 25.01.2015
Seit gestern, Samstag, 24.01.2015 haben wir wieder Passatwinde die wirklich zum Segeln reichen. Wir sind seit Samstag wieder mit ausgebaumter Genua und gerefftem Großsegel, gesichert mit dem Bullenstander, im Schmetterlingsstil unterwegs. Das war nie unsere bevorzugte Segelstellung. Auf dieser Strecke fahren wir die Schmetterlingsvariante zum ersten Mal. Sie funktioniert, weil wir so platt vor dem Wind segeln können. Das Großsegel ist mit der Schot und dem Bullenstander festgeknallt, sodass hier nichts passieren sollte. Die Genua steht ausgebaumt auf der anderen Schiffsseite. Einzig die Halsen sind aufwändig. Zuerst holen wir das Großsegel langsam mittschiffs, in dem Walter die Schot dichtkurbelt und ich die Bullenstanderleine mitfiere. Das Großsegel reffen wir dann kurzzeitig ein Stück ein, damit wir in Ruhe auf dem Vorschiff arbeiten können. Dann geht Walter aufs Vorschiff, ich muss die Genuaschot fieren und gleichzeitig das Segel Stück für Stück einrollen. Dann wird der Topnant (die Leine, die den Spibaum im rechten Wickel zum Mast hält) gefiert, damit Walter den Spibaum greifen kann und z.B. die backbordseitige Genuaschot auspicken, den Spibaum auf die andere Vorstagseite hieven und die steuerbordseitige Genuaschot einpicken kann. Wenn die neue Schot eingepickt ist, wird der Topnant wieder durchgesetzt. Der Spibaum steht jetzt auf der anderen Schiffsseite, der Kurs kann geändert und die Genua wieder ausgerollt werden. Der nächste Schritt ist das Großsegel wieder auf den neuen Bug zu stellen. Walter darf wieder aufs Vorschiff um die Leine für den Bullenstander neu zu legen. Wir lenken die Leine vorne an der Bugklampe nur um und belegen den Rest auf einer Winsch im Cockpit. Das Großsegel wird wieder auf die gewünschte Größe ausgerollt und aufgefiert, gleichzeitig wird die Bullenstanderleine dichtgekurbelt, damit die ganze Prozedur kontrolliert und ohne Einrucken über die Bühne geht. Meistens klappt das auch so wie beschrieben. Richtig stressig wird es, wie gestern früh (noch vor dem Frühstück), wenn sich das Großsegel weder aus- noch einrollen lässt! Da stand es nun zu einem Drittel und wir konnten deutlich erkennen, was die Ursache für dieses Malheur war. Wir haben einen Rollmast und das Segel wird zum Bergen und Verkleinern in den Mast gerollt. Unser Segel hat auch längsseitige Segellatten zur Versteifung und eine dieser Latten hatte sich etwas aus der Lattentasche herausgearbeitet, sich beim Einrollen verhakt und eine riesige Falte über die komplette Segellänge bis zum Masttop verursacht. Diese Falte hatte sich nun in der Mastnut verkeilt, sodass nichts mehr ging. Zuerst hat Walter versucht, auf dem Großbaum und Spibaum stehend, die Falte von Hand rauszuziehen. Erfolglos. Der Versuch mit dem Kochlöffel die Falte in die Mastnut zu stopfen gelang müßig, auf einer Länge von einem knappen Meter – da waren es nur noch 12 Meter. Entweder ohne Großsegel weiter bis Martinique oder Walter in den Bootsmannstuhl und ab in den Mast. So haben wir es auch gemacht. Der Bootsmannstuhl ist allemal sicherer als an den Wanten eingepickt auf dem Großbaum rumzuturnen. Hochgezogen mit dem Spifall und gesichert mit dem Kutterfall musste er, bewaffnet mit der Gemüseraspel, den Mast entlang hochgezogen werden. Nur gut, dass wir elektrische Winschen haben, das hat zumindest dieses Manöver etwas erleichtert. Mit der stabilen Gemüseraspel hat er Stück für Stück, im Bootmannstuhl baumelnd und mit den Beinen in den Wanten verkeilt, das Segel in die Mastnut gerammt. Ich habe abwechselnd die Großsegeleinhole und die -ausholeleine gezogen und lose gelassen. Nach drei Stunden hatten wir es so weit geschafft, dass sich das Großsegel zu 75 % ausrollen ließ. Die letzten Meter zu Masttop bleiben nun bis Martinique gefaltet im Mast. Dort sehen wir weiter. Den Tipp mit dem Kochlöffel verdanken wir übrigens Heinz aus Emden, den wir in Las Palmas kennen gelernt haben und der auf seiner Calypso genau das gleiche Rigg hat. Er hatte dieses Malheur mit den Falten auch schon und weiß auch von anderen Seglern mit dieser Konfiguration, dass das wohl jeden einmal trifft – also ich brauche das definitiv nie nie mehr. Und Walter schon gleich gar nicht. Ach ja, vielleicht wundern sich einige, dass wir nicht mit dem Parasailor segeln. Walter hat die Schnauze gestrichen voll, von diesem 125 m² Leichtwindsegel. Einen ganzen Tag hat er sich bei Leichtwind um die 5 Knoten damit rumgeärgert, sodass bei ihm das Segel jetzt durchgefallen ist. Ab 10 – 12 Knoten Wind von Achtern laufen wir mit der Schmetterlingsvariante auch 5 – 6 Knoten. Deshalb will er den Parasailor nicht mehr Setzen, auch weil das Bergen so ein mordsmäßiges Geraffel ist, nicht bei Leichtwind unter 7 Knoten, sondern ab 10 Knoten wird das Bergen zum ultimativen Stress. Vielleicht sind wir auch einfach nicht für dieses Segel geeignet. Bei der konventionellen Schmetterlingsvariante kann vom Cockpit aus sowohl die Genua als auch das Großsegel verkleinert oder vergrößert werden, ohne dass man auf dem Vorschiff rumturnen muss. Das Halsen s.o. ist halt etwas zeitintensiv. Er will den Parasailor verkaufen, bei mir hat er noch eine Chance verdient. Warten wir es ab.

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