Samstag, 21.02.2015
Ich bin beeindruckt. Die Mietwagenreservierung hat tatsächlich geklappt. Wir haben eine koreanische Obstkiste mit Automatikgetriebe bekommen. Das ist für uns insofern gar nicht schlecht, weil wir uns somit auf die riesigen Schlaglöcher und den Linksverkehr (hier auf Antigua hatten die Engländer mal den Hut auf) konzentrieren können. Die Straßen sind in Wirklichkeit nur Pisten. Straßenschilder gibt es nicht. Wir fahren nach Kompass und Stand der Sonne. So groß ist die Insel ja auch nicht. Irgendwann kommt man wieder zum Ausgangspunkt zurück. Wir haben eine Straßenkarte im Reiseführer und finden die Harmony Hall an der Ostküste auch so. Hier war einstmals eine alte Zuckermühle, jetzt ist hier eine Artgalerie, ein Hotel und ein Restaurant. Wirklich tolle Gemäldegalerie – aber par tout nicht unsere Preisklasse.
Wir begnügen uns mit einem Softdrink und fahren weiter Richtung Devils Bridge. In der Ortschaft Willikies ist die Straße so schlecht, dass Walter nur im Schritttempo fahren kann. An der übelsten Stelle steht Derrick (nee, nicht der Kommisar) und tritt vor unser Auto. Walter hält und lässt das Seitenfenster runter und frägt was los ist. Derrick will wissen, ob wir zur Devils Bridge wollen und nachdem Walter bejaht, entert Derrick unseren Viertürer (hat leider keine Zentralverriegelung) sitzt auf der Rückbank und erklärt sich zu unserem Reiseführer. Shit. Das war nicht der Plan. Unser Rucksack mit den Geldbörsen, den Kreditkarten, den Ausweisen und den Führerscheinen steht hinter dem Fahrersitz. Die Dokumente haben wir für die Mietwagenausleihe benötigt, normalerweise haben wir die im Schiff versteckt. Nicht so heute. Mann, Mann, Mann. Derrick geleitet uns zur Devils Bridge, die wir auch ohne ihn gefunden hätten. Die anrauschenden Atlantikwellen haben den Festlandsockel unterhöhlt und es hat sich eine Kalksandsteinbrücke gebildet unter der sich die Welle spektakulär bricht.
Wir werden unseren selbsternannten Reiseführer noch nicht los, er zeigt uns noch den Badestrand Longbeach. Auf dem Weg zurück nach Willikies kommen wir an zwei Touristenressorts vorbei, die mit hohen Mauern und Stacheldrahtrollen gesichert sind. Derrick erklärt, dass es sich um ein italienisches Ressort und um ein privates Ressort von einem reichen weißen Mann handelt. Es ist erschreckend zu sehen, dass die Touristen und die Weissen heute noch auf diese Art und Weise abgeschottet und gesichert werden müssen. In Willikies wollen wir Derrick wieder loswerden. Es war klar, dass er für seine Tätigkeit als Reiseführer ein Trinkgeld bekommt. Walter will ihm 20 EC Dollar geben, aber damit ist er nicht einverstanden. Er will Rum kaufen und den gibt’s wohl nur für US Dollar. Ganz schlecht. Er will 20 US Dollar. Das haben wir grad nicht dabei. Er wird ziemlich ungehalten und steigt erst aus, nachdem er 50 EC Dollar in der Tasche hat. Wir sind froh, ihn los zu haben. Unser nächstes Ziel ist die Plantage Betty’s Hope. Aktuell ziemlich hoffnungslos, weil dem Verfall überlassen. Wir fahren weiter nach St. John’s Harbour. Mangels Straßenkarte und Straßenschilder fahren wir im Kreis durch die übelsten Vorstadtsiedlungen. Ärmste Wellblechhütten, verwahrloste Grundstücke. Wir sehen im Hafen von St. John Kreuzfahrtschiffe liegen und fahren in diese Richtung. Mit gemischten Gefühlen lassen wir den Mietwagen in der Mainstreet stehen und gehen zu Fuß weiter. Richtung Kreuzfahrtterminal ändert sich das Bild schlagartig. Wir gehen, ohne dass wir kontrolliert werden, durch ein Gate und befinden und im Duty Free Bereich unmittelbar vor den festgemachten Kreuzfahrtschiffen. Krasser könnte der Gegensatz nicht sein! Uhren, Schmuck und alle höchstpreisigen Modelabels der Welt sind hier vertreten. Die Stuttgarter Königsstraße ist ein Waisenhaus dagegen. Nein, das hier ist eine Scheinwelt, die uns nicht gefällt. Uns gefällt auch nicht unter welchen Umständen die „Lokals“ hier hausen. Ein Dazwischen gibt es nicht.