Es gibt Wahrscheinlichkeitrechnungen die gegen Null gehen, und genau so eine Rechnung haben wir heute angestellt. Sieben Personen weißer Hautfarbe stehen nachts um 12 Uhr auf St. Martin, in Grand Case an der Kreuzung und warten auf einen Bus, der nicht mehr fährt, oder ein Sammeltaxi oder einen Autofahrer, der Anhalter mitnimmt. Es ist also mehr als unwahrscheinlich, dass die Sieben anders als zu Fuß zurück in die Fort Louis Marina kommen. Auch ist mehr als unwahrscheinlich, dass alle als Anhalter weiterkommen.
Es war so, dass Angela, Cordula, Elke, Andreas, Eric, Franz und Walter beschlossen hatten, gemeinsam einen Abend in Grand Case zu verbringen. Grand Case ist die nächste Bucht, die hinter dem Hügel, Luftlinie 5 Kilometer entfernt liegt. Es gibt einen Sandstrand, viele Strandbars mit Livemusik und auch einen ganzen Straßenzug mit verschiedenen Restaurants. Die Fahrt dorthin mit dem Sammeltaxi kostete pauschal 40 € (für 6 Kilometer), der Preis, der zunächst ausgerufen wurde war 8 € pro Person, Andreas verhandelte geschickt und der Preis wurde Zug um Zug reduziert.
Grand Case scheint das Sonntagsausflugsziel der halben Insel zu sein, die Restaurants waren sehr gut gesucht und aus allen Ecken wummerten die Bässe. Mitten im Dorf gibt es ein sehr ursprüngliches Restaurant mit Holzbänken und Holztischen. Es sieht eher aus, wie ein Busterminal, ohne Außenwände, das Dach von Säulen getragen. Der riesige Grill steht mitten drin. Es gibt Fisch, Langusten und gegrillte Rippchen. Das Bier gibt es direkt aus der Flasche, so ist es am hygienischsten. Die Qualität der Speisen war überraschend gut, mein Snapper war um einiges besser als der hier im Yachtclub. Nach dem Abendessen zog die Karawane in die nächste Strandbar mit Livemusik um dort, direkt am Wasser den schönen Sonntagabend zu genießen. Irgendjemand hatte wohl an der Uhr gedreht, denn es war kurz vor 12 Uhr als wir den Heimweg antraten. „Unsere“ Strandbar war die einzige, die noch offen hatte, der Rest des Dorfes nahezu ausgestorben. Zwei Großraumtaxis parken direkt vor der Strandbar, wohlwissend, dass hier die Gäste irgendwie und irgendwann nach Hause wollen. Der Preis war jetzt auf 80 € gestiegen und die Taxifahrer waren gnadenlos und nicht zu erweichen. Konsequenter Weise ließen wir das Taxi stehen, so geht’s ja auch nicht. Und so kam es, dass nachts um 12 Uhr sieben Weiße an der Kreuzung standen und sich Gedanken machten, wie sie nach Hause kommen könnten. Ein Linienbus fuhr vorbei, hielt trotz Winken nicht an. Ein Sammeltaxi fuhr vorbei, die Hampelmänner an Straßenrand missachtend. Wir versuchten es mit Trampen. Sieben Leute! Viele Autos fuhren vorbei, was ja auch absolut verständlich war. So standen wir da und gewöhnten uns an den Gedanken, die Strecke zurück zu Fuß zu bewältigen. Bis dann plötzlich, eine dieser von uns sonst so verschmähten Großraumlimousinen anhielt. Der Fahrer ließ die Scheibe herunter und Andreas fragte ob wir mitfahren könnten. Auf die Gegenfrage wie viele Personen antwortete Andreas wahrheitsgemäß SIEBEN !! OK, no Problem war die Antwort des farbigen Autofahrer. NO PROBLEM das muss man sich ganz deutlich vorstellen: Es ist nachts um 0:30 Uhr, da stehen SIEBEN Personen und wollen in die nächste größere Stadt. Es fährt kein Bus und kein Taxi mehr und dieser freundliche Autofahrer hat kein Problem mit uns „SIEBEN“. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass in Deutschland mitten in der Nacht ein Weißer sieben Schwarze in die nächste Stadt gefahren hätte.