Warum tut Mensch sich das an…? Oder – internationaler Tag der Hämatome
-Gastbeitrag von Gerard-
Zunächst muss bei dieser Überschrift die Frage gestellt werden, ob Segler überhaupt richtige Menschen sind?
Doch der Reihe nach:
Bequia am Do., 11.02.2016.
Der Tag beginnt wieder einmal mit Befriedigung des Behördenschimmels. Dieser ist hier in Form von Customs and Immigration allgegenwärtig. Innerhalb weniger Seemeilen gilt es in 4 verschiedene Staaten ein- und auszuklarieren: Grenada, St. Vincent & The Grenadines, St. Lucia und die EU in Form der französischen Insel Martinique. Das ganze überaus lästige Prozedere ist mit Formularkrieg, Stempelepisoden auf Formularen und in Pässen sowie jedes Mal mit unkalkulierbarem Zeitaufwand verbunden, der natürlich in die Routenplanung eingerechnet werden sollte….Wieso tut Mensch sich das an?
Nachdem diese lästige Pflicht erledigt ist und die letzten kleinen Einkäufe getätigt sind geht es los Richtung St. Vincent.
Doch bereits beim Segelsetzen gibt es die nächste Aufgabe, diesmal mit – im wahrsten Sinne des Wortes – vollem körperlichen Einsatz zu bestreiten: Das Rollgroß wehrt sich wieder einmal standhaft, seine Eigenschaften als Segel unter Beweis zu stellen. Es hat sich mittels einer Verweigerungs-Falte im Mast verbarrikadiert und ist vorerst nicht davon zu überzeugen, sich in seiner vollen Pracht zu zeigen.
Also muss Elke, bewaffnet mit einer Küchenreibe, in den Mast hoch um dem unwilligen Gesellen die Falten auszutreiben. Das geschieht natürlich nicht ganz ohne Blessuren, sind die seitlichen Ausschläge auf einem Boot, als Mensch hängend an einem Mast, auch bei kleiner Welle schon recht groß. Nach 20 Minuten Stopfen mit der Küchenreibe ist das Segel auch ohne Antifaltencreme wieder vom Mitspielen überzeugt und Elke darf mit ein paar mehr blauen Flecken zurück aufs Deck.
Apropos blaue Flecke: Segelboote sind hart, unbequem und überaus hämatomfreundlich. Beim Duschen, Baden, Umziehen, eigentlich den meisten alltäglichen Dingen zeigt sich wer aus dem härteren Material geschnitzt ist und welche Ecken des Inventars und des Aufbaus der eigene Körper noch nicht gut genug kennt… und immer, wirklich immer, gewinnt hier das Boot.
Und so bleibt uns nur die gegenseitige Aufmunterung mit: „Soll ich Deine Wunden und Hämatome lecken?“
An diesem Tag sind wir spontan, so entscheiden wir unterwegs kurzfristig, das gewählte Ziel zu verwerfen, stattdessen nur einen kurzen Zwischenstopp in Chateaubelair (St. Vincent) zum Abendessen vor Anker einzulegen und über Nacht weiter über den Channel nach St. Lucia zu fahren. Diese ungeschützten Passagen zwischen den Windward Inseln sind mit etwas Vorsicht zu genießen, denn hier steht oft viel Wind und zudem rauhe See, drückt doch der Atlantik mit kräftig Strom in die karibische See.
Die Wind-und Wetteraussichten für heute sind dazu ideal. Doch wir werden mal wieder eines Besseren belehrt: Pünktlich mit Erreichen der Passage schifft es aus vollen Rohren und bläst mit bis zu 7 Windstärken. Dazu eine ätzende Ostsee-Kabbelwelle, die für nächtliches und überaus feuchtes Achterbahn- und Schlaglochfeeling im Boot sorgen. Auch hier gilt natürlich: Zusätzliche grün-blaue Farbpartien unter der Haut aufgrund von nicht beherrschbarer Konfrontation Boot gegen Mensch gratis. Toll!
Gegen kurz vor 3 am Freitag in der Früh fällt der Anker in der Rodney Bay im Norden St. Lucias. Erschöpft und müde fallen wir in die Kojen. Immerhin gibt es noch zuvor ein Trost- und Schlafbier.
Warum tut Mensch sich das an?
Deshalb: