Jamaika Impressionen von Fleur
Zwei Wochen Jamaika. Dirk und ich waren zu Gast auf der Sunrise.
Nun, was stellt man sich vor, wenn man nach Jamaika fliegt? Entspannte Reggae Musik, weiße Strände, Regenwald, Karibikfeeling, entspannte Rastas, Bob Marley und Ganja. Das waren meine Schlagworte zu Jamaika.
Nun ja. Karibik war es. Feeling eher anstrengend. Weiße Strände hat es auch. Gegen die entsprechenden $$$ sind sie auch sauber und man kann sich einen entspannten Tag am Strand machen. Auf Jamaika hat eben alles seinen Preis. Freundlich und hilfsbereit sind die Menschen, Alle. Sie haben nur auf dem Arbeitsmarkt so wenig Perspektiven, dass jeder versucht irgendwie zu Überleben und möglichst einfach und schnell an Geld zu kommen. Hier sind die Touristen ein gefundenes Fressen (Weiße Hautfarbe = Geld). Man kann sich in Jamaika nicht unter die Masse mischen. Man ist so offensichtlich anders, dass es überhaupt kaum möglich ist sich unauffällig zu verhalten und so zu tun als würde man jeden Tag hier durch die Stadt laufen und einkaufen gehen. Naja, vielleicht lag es einfach auch mit am Sonnenbrand… jedenfalls wird man sofort angesprochen ob man
1. Etwas kaufen möchte (CDs, Ganja, Halsketten, Armbänder usw.)
2. ein Taxi braucht (von jedem einzelnen Taxifahrer der Stadt und alle parken nebeneinander)
3. einen Tourguide braucht,
4. ein Paar Dollars für einen armen Obdachlosen hat,
5. unbedingt an diesem Marktstand (auf jeden Fall der Beste der Stadt) etwas kaufen muss und
6. ob man aus Germany, Italy oder USA kommt.
Die Jamaikaner sind freundlich und geben sich mit einem deutlich mit Nachdruck gesagten „No, Thank you“ zufrieden. Sobald sie aber rausbekommen, dass man aus Deutschland kommt hat man die Story sicher am Hals. (Mama sagte mal zu einem überfreundlichen Jamaikaner dass sie ein Alien sei, was eine absolute Konfusion auslöste) Was auch immer in Jamaika Anfang der 70er oder so los war… jeder 2. hatte deutsche Freundin in Bremen oder Stuttgart. Oft waren sie angeblich schon in Deutschland (Noel, der illegale Raubkopien von „oldscool reggae“ verkauft kennt das Stuttgarter S-Bahn Netz) und in Port Antonio gibt es tatsächlich ein Familienunternehmen „Marktstand“ an dem der Sohn der Familie (40+) Schuldeutsch spricht.
„Alles klar“ und „Alles gut“ gehört auf jeden Fall zum festen Wortschatz eines jeden Jamaikaners . Edgar, der den ganzen Tag vor der Port Antonio Marina rumhängt, in der Hoffnung jemandes Guide spielen zu können, erzählt einem 20 Mal, dass er einen deutschen Namen und Stiefvater hat. Er begleitet einen auf Schritt und Tritt, auch zum zum Jerk Chicken Stand, der nun wirklich nicht zu verfehlen ist. Nur mal so kurz in die Stadt ist ohne angequatscht zu werden, unmöglich. So ist es, sie versuchen ihr Business durchzuziehen. Es klappt ja auch hin und wieder. Heißt aber auch umgekehrt, wenn man etwas in Erfahrung bringen möchte, nach dem Weg fragen muss oder zu einer nicht auf der Karte ausgeschriebenen Attraktion kommen will, findet man auch immer eine Antwort und Hilfe bei den Locals. Diese braucht man auch. Unser Marco Polo Reiseführer (aktuellste Auflage die zu bekommen ist, ist von 2015) die ist leider so erbärmlich schlecht, dass man mit dem bisschen Internet, dass man hier und da bekommt deutlich mehr planen kann als mit dem kompletten Reiseführer. Das Irie Blue Hole (bester Ausflug den wir in den zwei Wochen gemacht haben) wurde überhaupt nicht im Reiseführer erwähnt oder gelistet. Hier haben uns die freundlichen jamaikanischen Mädels aus dem Reggae Hostel in Ocho Rios super weiter geholfen (Siehe Beitrag).
Laut Marco Polo gibt es in einem Dorf namens Nonsuch nahe Port Antonio Tropfsteinhöhlen. Naja, wie der Security Mann der Marina mir erzählt hat, sind diese seit 13 !!! Jahren geschlossen. Da fast Niemand dort hin wollte, wurde auch keine Werbung dafür gemacht und deshalb wusste es kaum Jemand. Es wurde einfach zu teuer den Betrieb aufrecht zu erhalten. Leider ist es mit vielen Dingen so. Wenn es sich nicht mehr rechnet macht man den Laden runter und lässt es verfallen. Es kümmert sich niemand um solche Dinge. Genauso ist es mit den öffentlichen, kostenlosen Stränden. Die nutzen hauptsächlich bis ausschließlich die Locals. Besonders geschockt waren wir von Long Bay Beach. Laut Beschreibung Jamaikas Surfer Paradies. Außer einer halb verfallenen Surf Hütte und ein paar spärlich (von Locals) besuchten Strandbars ist davon nichts zu sehen. Der Strand ist übersäht mit PET Flaschen und Styropor Food Boxen. Es gleicht eher einer traurigen Müllhalde. Wenn ab und an nicht die Kirchengruppen den Müll zusammen sammeln würden, wäre kein Sand mehr zu sehen. Es ist traurig, wie wenig die Umwelt hier geschätzt wird. Sämtlicher Müll landet im Straßengraben und wird einfach ins Meer geschwemmt. Zusammen mit dem Abwasser der Insel. Sie haben alles auf Jamaika. Es gibt genug Wasser und fruchtbaren Boden. Alle Klimazonen bis ins Gebirge der Blue Mountains. Bewirtschaftet wird aber wenig. Für die lokalen Märkte Gurken, Tomaten, Cho-Chos, Karotten, Pfefferschoten, Bananen, Mangos (fallen ohne Zutun vom Baum), Kokosnüsse und Zuckerrohr. Die Insel hat sehr viel Potential. Die Leute sind häufig und zu viel mit ihrem Ganja rauchen beschäftigt. Richtige Jobs gibt es wenige. Die schönen Hotel Resorts, die Arbeitsplätze schaffen gehören zum größten Teil ausländischen Investoren, also auch nur in gewissem Maß eine Verbesserung für die Einheimischen (sie bekommen etwas Arbeit im Service und als Putzhilfen für einen Hungerlohn). Jamaikas Regierung vergibt Land für Resorts oder große Baustellen an ausländische Unternehmen. Im Süden wird es die neue Autobahn geben, die komplett von Chinesen gebaut wird. Es sind so viele chinesische Arbeiter im Land, dass dort sogar die Werbetafeln in chinesischer Schrift sind.
Wer sich zwei Wochen an einen karibischen Resort-Strand legen möchte, mit einem Cocktail in der Hand und nur genießen will, kann das perfekt, aber auch isoliert, gut tun. Nur muss man dazu nicht um die halbe Welt fliegen. Das gleiche Feeling gibt es auch an Europas Stränden. All inclusive Urlaub ist hier, genau so wie überall auf der Welt, sehr gut machbar. Wer allerdings etwas individueller Reisen möchte, braucht entweder Einen der sich gut auskennt, jede Menge Geduld, viele kleine Trinkgeld-Scheinchen, offline Karten, viel Zeit, einen guten Mietwagen und vor allem einen unermässlichen Enthusiasmus und Motivation durch das halbe Land zu fahren, um dann festzustellen, dass die vermeintliche Attraktion schon längst verfallen oder nicht mehr so existiert ist.
Trotz aller Hindernisse und des leider schlechten Wetters in der kompletten 2. Woche haben wir viel gesehen. Wir haben einfach versucht den typischen Touristen Massenveranstaltungen aus dem Weg zu gehen. Ich denke, das hat auch sehr gut funktioniert. In Montego Bay haben wir uns zwei Tage zu schlechter Musik (von ABBA best of über Britney Spears zum nächsten One Hit Wonder und anderen 80er und 90er Hits oder Peinlichkeiten der Musikgeschichte) am Hard Rock Café am sauberen Bezahlstrand in die Sonne gelegt. Hier waren wir zum ersten Mal enttäuscht von der Musik . Wer erwartet schon auf Jamaika, der Reggae Hochburg, die 100er Chart Hits der letztens 25-30 Jahre? Gemixt vom schlechtesten Dj der Welt, der den „Soundeffekte- Knopf“ auf seinem Laptop entdeckt hat und das Ganze versucht vor 6 Gästen als Ballermann Fete aufzuziehen? Keiner. zumindest wir jedenfalls nicht. Wie wir feststellen mussten ist die Musik auf der kompletten Insel leider so. Meine Devise war: Schnorchel raus, Kopf unter Wasser und die 8 Fische suchen, die diesen Strandabschnitt ihr zu Hause nennen.
Man kann uns nicht vorwerfen wir wären unvorbereitet nach Jamaika gekommen. Auf meiner Liste standen:
• Irie Blue hole – abgehakt (härteste Nuss zu knacken)
• Von den Klippen springen an Ricks Café – abgehakt (eher so was für die Mitte 20er Generation, glaube Mama und Papa fanden es da nicht sooo toll, ist eben doch eher Ballermann mit Acton 🙂
• Wasserfälle (2 x sogar, Secret Falls und den tosenden Reach Fall) – abgehakt
• Bob Marley und Kingston – abgehakt
• Lokales Essen – ja hatten wir. Ist weniger vielfältig als erwartet. Hühnchen, Ziege oder Shrimp. Als Jerk Food (vom Grill) oder alles ins Curry geschmissen. Beides würzig und lecker, aber das war es mit der karibischen Vielfalt auf Jamaika
• Schnorcheln – abgehakt (man sieht leider weniger als erwartet oder wir haben die richtigen Stellen nicht gefunden) das Wasser ist jedoch herrlich zum Schwimmen
• Regenwald – abgehakt, ist cool
• Blue Lagoon – halbwegs abgehakt. Wir hatten braune Brühe, dem Regen geschuldet. Und wir hatten es uns deutlich größer vorgestellt
Gesegelt sind wir nicht. Wir mussten unter Motor gegen den Wind von Montego Bay bis nach Port Antonio, mit unseren Zwischenstopps in der Discovery Bay (wir waren Schwimmen, an Land ist nichts Sehenswertes), Ocho Rios (unser Ausflug zum Irie Blue Hole) und Oracabessa (Dirk und ich haben mit dem Dinghy paddelnderweise, mit großem Unterhaltungswert, das nicht vorhandene Schnorchelriff erreicht, um dann enttäuscht gegen die Strömung wieder zurück zu Paddeln. Nicht so einfach wie man denkt und die sportlichste Aktion des ganzen Urlaubs).
Port Antonio war dann unser verregnetes Basislager für alle anderen Ausflüge mit dem Mietwagen.
Was mich überrascht hat war, dass man kann mit einem Mietwagen kreuz und quer über die Insel fahren kann und es interessiert kein Mensch wo man war. Fährt man aber mit dem Schiff ein paar Meilen (auf dem Landweg 10-15km) weiter ist es für die Behörden fast als hätte man das Land verlassen. Man muss sich in jedem Hafen oder Ankerbucht neu anmelden, so als würde man gerade international einklarieren. Ein Offizieller in Uniform nach dem Andern möchte gerne irgendein Formular haben. Bevor die nicht alle happy sind geht erst mal gar nichts. Beinahe wären wir wegen eines Fehlers im Cruising permit nicht zu unserem Blue Hole Ausflug gekommen. Wer denkt Deutschland ist kompliziert, sollte mal ein paar Wochen in Jamaika segeln gehen. Immer entspannt bleiben, zwischen drin mal einen Kniffel oder Mexican Train Domino spielen und sich einen Sonnenbrand holen war unsere Devise. Am Ende klappt es immer, irgendwie eben. Und noch etwas haben wir gelernt: immer denjenigen mit dem schlechtesten Englisch nach vorne schicken, immer schön die Unschuldigen spielen, immer „No“ ankreuzen und lächeln. Wie die Jamaikaner sagen „don’t loose your irie“ also: frei übersetzt: „bleib immer entspannt cool“. Haben wir geschafft. Es war definitiv in vielen Dingen anders als erwartet. Es ist mehr Dritte Welt als ich mir vorgestellt habe. Wir sind froh, dass wir so viel von Jamaika gesehen haben und nicht am weißen Resort Strand in der heilen Welt lagen, sondern das wirkliche Jamaika erleben durften. Wir hatten einen erlebnisreichen Urlaub, sind aber mit definitiv einem anderen Blick auf die Insel wieder nach Hause geflogen.