Weshalb kommen so wenig europäische Segler nach Kolumbien?
Diese Frage stellte uns ein Kolumbianer im Club de Pesca de Cartagena. Er, Clubmitglied, hatte sein wunderschönes und top gepflegtes klassisches Holzsegelboot zwei Plätze neben uns an der Muelle 3 festgemacht. Muelle (Steg) 3, der Arbeitssteg und Steg für Gastlieger. Auf seinem Boot wienerten, schmirgelten, ölten und lasierten die Arbeiter tagelang. Als sie fertig waren, dürfte das Ausstellungsstück wieder an die Muelle 1 zurückkehren. Dort konnte die Yacht von den Gästen des sterneverdächtigen Restaurants bewundert werden. Zu Recht.
Nun zur Fragestellung, weshalb so wenig europäische Segler nach Kolumbien kommen.
1. Kolumbien liegt außerhalb der klassischen Atlantikrunde. Viele Segler kommen um die Weihnachtszeit über den Atlantik und segeln in den folgenden Monaten die Antillen rauf und/oder runter. Ein Teil der Segler verlässt die Karibik und kehrt im Mai über die Bermudas oder direkt von St. Martin aus nach Europa zurück. Der andere Teil sucht sich spätestens im Juli, vor der Hurrikan Saison, einen sicheren Platz für das Boot im Süden von Grenada oder besser noch in Trinidad. Hiervon wiederum bleibt ein Teil der Segler an Bord, der andere Teil stellt das Boot an Land und fliegt für sechs Monate nach Hause. In der kommenden Saison teilt sich der verbliebene Rest in Antillen-rauf-und-runter-Segler und Segler die über Puerto Rico, Jamaika, Kuba, Mexiko entweder nach Guatemala für die nächste Hurrikanzeit in den Rio Dulce gehen oder weit in den Norden der US-Ostküste in die Chesapeake Bay.
2. Die wenigen Segler, die im Süden der Antillen sind oder von Brasilien, Suriname etc. kommen, und es wagen, an der Küste von Venezuela entlang zu segeln und auch die venezuelischen Inseln Margarita, Los Aves, Los Roques zu besuchen sind die Ausnahme. Dies war aufgrund der Situation dort in den letzten fünf Jahren nicht empfehlenswert. Der logische südliche Weg weiter ist über die ABC Inseln nach Kolumbien oder Panama zu gehen. Einige Segler, so wie wir, gehen direkt nach Curaçao. Lagern dort, außerhalb der Hurrikanzurichtungen das Boot ein und fliegen für sechs Monate nach Hause. Von hier aus ist es in der folgenden Saison unproblematisch nach Jamaika und Kuba zu segeln und sich den Seglern auf der Atlantikrunde anzuschließen. Einige wenige nehmen den Weg über Aruba nach Santa Marta/Kolumbien. Hier ist das Capo de la Vela berüchtigt für seine Starkwinde und die extreme See. Wir starteten 2018 zu Dritt von Curaçao aus nach Santa Marta bei sehr guten Wetterbedingungen. Auf zwei von drei Booten gab es Schäden, einem zerriss das Vorsegel in einer Böe, der andere verlor sein Vorstag. Beides konnte in Santa Marta repariert werden.
3. In Kolumbien angekommen bleiben die Möglichkeiten für europäische Segler sehr beschränkt. Es gibt nur drei Marinas. Santa Marta, Puerto Velero und Cartagena. Ankern ist möglich, aber nur in der Nähe der Marinas und/oder nach vorheriger Genehmigung der Behörden. Für die Einklarierung muss zwingend ein maritimer Agent genommen werden. In Santa Marta erledigt dies die Marina. Die Behördenvertreter kommen an Bord, protokollieren was an technischen Geräten da ist, schreiben zum Beispiel die Motornummer auf. Alles korrekt. Die Einklarierungsprozedur für Schiff und Mensch dauert mindestens fünf Tage. In dieser Zeit sind auch die Reisepässe weg und man kann sich nur in Santa Marta aufhalten. Wer eine Reise ins Landesinnere machen möchte, oder wer eilig weiter will, muss sich gedulden. Die IGY Marina Santa Marta liegt zentral mitten in der Stadt. Der Standard ist in Ordnung. Sehr problematisch sind die abendlichen Fallwinde, die aus der Sierra Nevada auf die Stadt runterknallen. Es gibt an einigen wenigen Tagen schon mal Sturmstärke in der Marina und Ausleger der Schwimmstege werden abgerissen. Selbst gesehen im Februar 2018. Es ging ein französischer Katamaran gegenüber von uns mit abgerissenem und an ihm hängenden Stegausleger auf Trift. Darüber hinaus freut sich jeder Segler, der von einem längeren Landausflug zurückkehrt, über sein mit Kohlestaub überzogenes Schiff. Direkt im angrenzenden Industriehafen ist eine Verladestation für Kohle. Über Puerto Velero kann ich nur aus der Erzählung eines uns befreundeten Seglers berichten. Die Behördenvertreter dort verweigerten ihm im Februar 2018 auf seiner Weiterreise von Santa Marta nach Cartagena das Anlegen in der Marina Puerto Velero und zwangen ihn, trotz Starkwind, entweder weiter zu segeln oder zu ankern. Das Problem war, dass das nationale Zarpe (Reisedokument für die Fahrt von einem kolumbianischen Hafen zum nächsten) keinen Zwischenstopp in Puerto Velero vorsah. Völlig unflexibel und stur und für Segler schwer zu akzeptieren. Andererseits berichtete ein norwegisches Paar uns im Januar 2019, dass die Marina Puerto Velero fertig gestellt und picobello sei, vor allem die sanitären Einrichtungen. Leider liegt das Umfeld brach, das Hotel ist nicht fertig und auch sonst fehlt noch jedwede Infrastruktur. Cartagena bietet für Segler den Club Náutico und den privaten Club de Pesca. Im Jahr 2018 wurden im Club Náutico die Steganlagen erneuert, sie konnten keine Gastlieger aufnehmen. Ins rollige Ankerfeld wollten wir nicht und deshalb waren wir dankbar einen Platz im Club de Pesca zu bekommen. Wir waren 2018 und 2019 insgesamt drei Mal für 2 bis 4 Wochen dort und fühlten uns sehr sicher und wohl. Latent ist der ewige Staub und Smog, der aus der Stadt herüber geweht wird und sich auf den Schiffe verteilt. Mit viel Putzaufwand ist auch dies zu regeln. Absolut und extremst nervig ist diese Ein- und Ausklarierungsprozedur mittels Agenten. Jede Klarierung, national oder international, muss zwei Tage vorher avisiert werden. Die Pässe sind wegzugeben und werden erst nach Bezahlung der Provision für den Agenten wieder zurück gegeben. Die Provisionen sind nicht durchschaubar. Am fairsten war die internationale Einklarierung in Santa Marta. Alles wird korrekt aufgelistet und auf der Rechnung ausgewiesen. In Cartagena mussten wir für die nationale Einklarierung dem Agenten zunächst einen Vorschuss von 100 US-DOLLAR, ohne jedwede Quittung, geben. Für das internationale Zarpe für Panama weitere 100 US-DOLLAR, für die erneute internationale Einreise von Panama kommend ebenfalls. Das Schiff darf üblicherweise 365 Tage im Land, der Mensch 90 Tage bleiben. Für das Schiff wird eine temporäre Importlizenz (TIP) ausgestellt und dieses Dokument ist wichtiger als der eigene Reisepass. Über unsere Odyssee mit der TIP für Cartagena gibt es auf meiner Website eine eigene Abhandlung.
4. Würden wir wieder mit dem Schiff nach Kolumbien segeln? Nein, definitiv nicht. Die Möglichkeiten für Segler sind so restriktiv, dass wir darauf verzichten können. Das Land ist wunderschön und wir haben auch in den Monaten Februar und März 2018 einige Inlandsausflüge unternommen, aber dafür würden wir, falls wir noch mehr vom Land entdecken wollten, gezielt hinfliegen. Ursprünglich war geplant noch nach Medellín und ins Amazonasdreieck zu fliegen, aber uns fehlte zuletzt die Lust dazu. Die Inseln San Andres und Providencia, die ebenfalls zu Kolumbien gehören lagen ursprünglich ebenfalls bei uns auf der Segelroute. Die bleiben nun an Backbord liegen, denn wir segeln direkt nach Grand Cayman.