Kleine Unpässlichkeiten eines Segleralltags
Seit unserer schmerzlichen Erfahrung auf Petit San Vincent gilt für uns das ungeschriebene Gesetz: das Dingi samt Motor kommt jeden Abend an Deck!
In Trinidad haben wir einen „Galgen“ samt Flaschenzug am Geräteträger installieren lassen um den Außenborder am Heck nach oben ziehen zu können und diesen dann an der Reling an seiner Halterung aufzuhängen. Immer wieder das gleiche Vorgehen. Das Dingi wird steuerbords am Heck vertäut. Elke steigt über die Reling nach oben an Deck und lässt den Flaschenzug nach unten ins Dingi. Dort wird der Außenbordmotor eingehängt, die Verschraubung zum Dingi gelöst und dann nach oben gezogen. Hängt der Motor nun auf Höhe der Reling, steigt auch Walter über die Reling nach oben an Deck und gemeinsam wird der Motor dann an seiner Halterung befestigt. Haben wir so zig mal gemacht mal mit mehr oder weniger Malaise.
Gestern gab es eine geringe ungeplante Programmänderung. Wie immer fahren wir mit dem Dingi das Heck an steuerbord an. Das Dingi wird an der Sunrise vertäut. Außenbordmotor aus. Elke steigt über die Reling und lässt den Flaschenzug nach unten. Als der Außenborder eingehängt und die Halteschrauben gelöst sind zieht Elke den Motor nach oben und versucht diesen auf die Halterung zu setzten. Doch irgend wie verhakt sich der Motor. Ein Aufsetzen auf die Halterung misslingt. Walter versucht nun, im Dingi stehend, von unten am Motorschaft nach zu helfen. Elke zieht, Walter drückt doch der Motor will nicht in die Halterung einrasten. Vor und zurück. Es hakt. Plötzlich kommt auch noch die Physik ins Spiel. Hebelgesetz, Beschleunigung und Erdanziehungskraft. Der Außenbordmotor enthakt, schwingt nach achtern ins Freie aus. Zeitgleich nickt die Sunrise nach steuerbord in eine Welle ein, das Dingi beschleunigt nach vorne, Walter am Motorschaft hängend nach hinten. Die physikalischen Gesetze schlagen zu, sind nicht mehr auszugleichen. Walter begibt sich zum Bade. Altehrwürdiges Textilbaden wie zu Großvaters Zeiten. Mit Sonnenhut nun Badekappe, mit Sonnenbrille nun Taucherbrille, mit Shirt und Short nun Badedress. Mit einem spektakulären Seitfallhecht verschwindet er im tiefen Blau. Das letzte was ich von ihm sehe sind diese ekelhaften, ranzigen, hellblauen Grocslatschen und ich muss gestehen ich dachte, na Gott sei Dank sind die endlich Geschichte.
Mit einem Sprunzer und einem heraus krakelten F–Wort tauchte er wieder auf. Den Hut noch auf dem Kopf, nur die Krempe war nun nass und klappte nach unten auf die Brille, die er glücklicherweise noch auf der Nase hatte. Sichtlich um Durchblick bemüht patschte er nach seinen dämlichen Crocslatschen, die doch tatsächlich wie Kohlensäureblasen im Sektglas neben ihm aufpoppten. Ich stand derweil regungslos an Deck. In den Händen den Strick, an dem sich der Motor soeben am Galgen erhängt hatte und konnte nichts tun, außer entsetzt zu schauen. Und was ich sah lies mich erstarren. Denn hinter Walter poppte noch etwas an der Wasseroberfläche auf. Ich war wie paralysiert, denn ich wusste sofort was da schwamm. Unser Haustürschlüssel, den Walter in seiner Hosentasche hatte bevor er baden ging. (Schlüssel für das Schiebeluk um in die Sunrise zu kommen) Der ging auf Drift in Richtung Mexiko. Ich schrie Walter aus voller Brust an: lass deine blöden Latschen, der Schlüssel säuft hinter dir ab! Zum Glück konnte Walter den Schlüssel samt schwimmfähigen Schlüsselanhänger noch auffischen bevor er sich mit Wasser vollgesaugt hatte.
Für den Rest des Abends musste Elke dann an die Leine und durfte auch keine blöden wieso und warum Fragen mehr stellen, denn Schlüsseldienste für Segelboote gibt es glaube ich noch nicht, jedenfalls nicht auf Cayman Island.
Ach ja, die unkaputbare hellblaue Gummilatsche läuft immer noch durch die Gegend.