Good bye Bahamas – welcome USA
Planmäßig segeln, bzw. wegen ausbleibendem Wind (Vorhersage 15 bis 17 Knoten aus Ost) fahren wir als Motorboot an Grand Bahama entlang und hoffen auf den Wind sobald wir aus der Landabdeckung sind. Fehlanzeige. 2 – 5 Knoten umlaufend, drückende Hitze und Hitzegewitter am Horizont. Wenn sich das nicht ändert, steht uns wieder eine lange Motorfahrt bevor. Das ist an sich kein Thema, der Yanmar schnurrt zuverlässig.
Nachdem wir 20 Meilen draußen sind, will sich Walter für einige Stunden zum Ausruhen auf die Salonbank legen. Dazu kommt er nicht, den plötzlich ist Alarm auf der Sunrise. Massiv und erschreckend. Ohrenbetäubend laut hupt der Bilgenalarm. Das heißt Wasser im Schiff. Mittschiffs unter den Bodenbrettern und in der Motorbilge steht Wasser. Salzwasser. Die Toiletten und Spül- und Waschbecken sind dicht, bzw. die entsprechenden Seeventile geschlossen. Das entfant terrible ist schnell gefunden. Die Stopfbuchse auf der Schraubenwelle ist es. Verdammte Axt! Die Scheiße muss sich doch ankündigen. Prüfen wir doch ständig die Bilge, ob hier und dort Salzwassertropfen oder eingetrocknete Spuren zu sehen sind. Nichts, nada, niente! Ich dachte der Abnutzungsprozess geht schleichend, nicht von Null auf Hundert. Wieder eine falsche Annahme. Es ist ja nicht so, dass wir die Stopfbuchse nicht getauscht hätten. Die, die jetzt Ärger macht, ist die Zweite von uns angebrachte.
Im März hatten wir etwas Süßwasser in der Bilge, das war eine undichte Süßwasserpumpe. Das Problem konnte schnell behoben werden.
Jetzt aber die undichte Stopfbuchse. Wir wickeln selbst vulkanisierendes Band um die Buchse. Keine Chance. Bringt nichts, das Wasser schießt entlang der Welle raus. Beim Segeln kommt kein Wasser, Wasser kommt nur wenn der Motor die Welle bzw. die Schraube antreibt. Also segeln. Ohne Wind im Golfstrom – kein guter Plan. Da kommen wir irgendwann und irgendwo raus. Wir müssen so schnell wie möglich an die Küste und aus dem Wasser. Aber wo? Fünfzig Meilen im Westen liegt West Palm Beach. Das würden wir erst spät in der Nacht erreichen und wo man dort Kranen könnte wissen wir auch nicht. Ein Ankerfeld und die Marina könnten wir erreichen. So entscheiden wir uns für Cape Canaveral 110 Meilen nördlich. Wir müssen unter Motor weiter und beschließen den Golfstrom für uns arbeiten zu lassen und setzten Kurs auf Cape Canaveral ab. Dort gibt es Reparatur Facilities. Aber erst mal dorthin kommen. Das heißt für uns 16 Stunden Wasser auffangen. Mit der flachsten Plastikbox die gerade mit Müh und Not unter die Buchse und die Welle passt. Rein kriegen wir sie ohne dass uns die rotierende Kupplung die Finger wegschreddert. Aber die flache Box raus kriegen zum Ausleeren. Ausgeschlossen. Wir könnten das Wasser gleich weiter in die Bilge laufen lassen und mit der großen Bilgenpumpe abpumpen. Der Plan wird verworfen, wir wollen nicht so viel Wasser im Schiff. Also Auffangen und mit der großen Klistierspritze das aufgefangene Wasser absaugen und in einen Eimer spritzen.
So wechseln wir uns im zwei Stundentakt ab. Sitzen mit Ohrstöpseln direkt vor dem dröhnenden Schiffsdiesel, falten uns auf den 50 Zentimetern zwischen Bett und Motorraum zusammen und saugen ab. Yoga wäre jetzt echt von Vorteil, da wüssten wir wenigstens wohin mit den Beinen. So ist es eine Tortur. Aber immer noch besser Rücken und eingeschlafene Hinterteile haben, als …. Die Wassermenge die reinkommt erhöht sich schleichend. Zum Schluss eine Spritze voll mit knapp 100 ml in ca. 10 Sekunden. Während einer von uns unten seinen Job macht, versucht sich der andere während der zweistündigen Pausen so weit es geht im Cockpit zu erholen. So geht es in die Nacht. Die Sunrise läuft unter Motor und Autopilot, wie immer eigentlich, und zum Glück sendet und empfängt heute das AIS System. Wenigstens was. Die Großschifffahrt wird uns auf dem Display sehen und kann uns bei Annäherung anfunken oder im Idealfall sogar rechtzeitig ausweichen. Private Yachten oder Fischer ohne AIS sind beim gelegentlichen Rundumblick in der Nacht keine zu sehen. Was nicht heißt, dass keine unterwegs sind. Genießen können wir die 9 Knoten Fahrt, die wir im Golfstrom zeitweise machen absolut nicht. Es bringt uns nur schneller an Land. Kurz vor Cape Canaveral kommen wir in den Mobilfunkbereich. Es ist 5 Uhr morgens. Warten und Absaugen. Um 7 Uhr öffnet Cape Marina. Ich erreiche einen Mitarbeiter im Büro, dem ich die Situation schildern kann. Wir müssen sofort nach dem Einlaufen in die Kranbox rein und ausgekrant werden. Der Mann ist überfordert. Eine Gemeinsamkeit- ich auch. Nach nervigem Hin und Her, der Rückfrage mit einem seiner zwischenzeitlich eingetrudelten Mitarbeiter beschließen die Beiden, dass am Mittwoch das Travel Lift Gear nicht funktioniert. Ja, leck mich doch … heute ist Mittwoch und die Cape Marina hat zwei von den Dingern. Ich soll bei Scorpion Marine anrufen. Have a nice day.
Bei der Scorpion Marina arbeitet der Anrufbeantworter. Ich spreche mein Anliegen drauf und bekomme kurz nach 8 Uhr einen Rückruf. Da bin ich aber schon am Verhandeln mit Mike, dem Dockmaster des Port Canaveral Yacht Clubs. Er wird sich für uns einsetzen und für uns eine große Box zum Anlegen freihalten. Auch er empfiehlt uns die Scorpion Canaveral Marina und er wird dort anrufen. Ich kann nun die Scorpion Marina zurückrufen und bekomme die Antwort, dass wir kommen sollen und dass sie uns auf jeden Fall vor den Mittagessen rauskranen können. Das drückt das Stresslevel immens.
Ich kürze ab. Wir werden gekrant, eine neue und für unsere Welle passende Stopfbuchse haben wir dabei. Die Werft verschiebt Termine und stellt einen Mitarbeiter für uns ab der zusammen mit Walter die flexible Kupplung trennt, die Welle zieht und die neue Stopfbuchse anbringt und uns am späten Nachmittag wieder ins Wasser hievt. Kurze Rundfahrt im Cape Canaveral Kanal. Alles wieder dicht.
Wir müssen unsere Vorurteile gegenüber den amerikanischen „Professionals“ in seinem Fall echt revidieren. 1000 Dank.