Leg 2 Brasemeer – Haarlem
Mit uns im Jachthafen Brasem liegt ein weiteres deutsches Segelboot. Sie sind auf dem Weg ins Marker/IJsselmeer und die Staande Mastroute schon mehrmals gefahren. Ihre Empfehlung ist nicht direkt in Richtung Amsterdam zu gehen, sondern den Weg weiter westlich über Haarlem zu nehmen. Diesen Tipp nehmen wir gerne an, auch weil die Durchfahrt durch Amsterdam tagsüber nicht möglich ist. Es sammelt sich jeweils ein Pulk von Seglern im Nieuwe Meer und wird nach Mitternacht, gegen Bezahlung einer Durchfahrts- und Brückengebühr, im Konvoi durch Amsterdam gelotst. Das Problem ist die zentrale Eisenbahnbrücke in Amsterdam, die erst nach der Durchfahrt des letzten Nachtzuges öffnet. Fast wären wir dem Charme dieser Nachtfahrt durch Amsterdam erlegen, aber als uns dann vom urigen Haarlem berichtet wird, werfen wir unseren Plan um.
Es hat sich gelohnt in Haarlem fest zu machen. Wir liegen im Spaarnekanal mitten in der Stadt. Dass es nur ein Duschhäuschen in 500 Meter Entfernung gibt stört uns nicht groß. Wir bleiben nur zwei Nächte.
Alles ist fußläufig zu erreichen. Die engen Hofjes und Gassen sind voller Leben. Alles findet im Freien statt. Fußgänger, Radfahrer, Lastenräder, Mofas und Mopeds, meist elektrisch, und elektrische Seniorenmobile teilen sich die engen Gassen und Wege mit der Außengastronomie.
Der Autoverkehr ist zumindest in der Altstadt größtenteils außen vor. Aber ungefährlich ist es nicht, aus allen Richtungen, kreuz und quer düsen uns die Zweiräder um die Ohren. Hören tun wir sie höchstens am Geklapper oder wenn die Verrückten unter ihnen beim Radeln noch lautstark telefonieren. Extreme Umsicht und manch finaler Rettungssprung ist nötig.
Begeistert sind wir von der Qualität der angebotenen Speisen in Holland. Noch immer waren wir mehr als zufrieden. Gestern Sushi in Top-Qualität, heute Thunfisch auf warmem Fladenbrot und Wildsalat. Die vielen Mitbürger aus Übersee und Asien haben die holländische Küche mannigfaltig positiv beeinflusst.
Am Tag zwei unseres Aufenthalts beschließen wir, vom defensiven Fußgängermodus in den aktiven Radlermodus zu switchen. Mit Leihrädern trauen wir uns durch die Stadt zu radeln, raus aus der Stadt und an die Nordseeküste. Nach Bloemendaal aan Zee und Zandvoort, durch den Nationalpark Zuid-Kennemerland und auf bezeichneten Radwegen durch die Dünen. Der Nordseestrand ist verlockend, meilenweit, goldgelb und breit. Aber heute ist Radeln dran, außerdem ist der Nordwind affenkalt und ohne einen schützenden Strandkorb geht gar nichts. Strandkörbe gibt es hier nicht, nur hässliche Standhütten, die aussehen wie lackierte Überseecontainer, Schrebergarten maritim – das zumindest geht schöner.
Am Abend kommen die Poser. Nicht wie in Stuttgart auf der „Theo“ mit aufgemotzten Sportwagen, mit Möchtegern-Sportwagen oder mit Papas edlem Gefährt aus einer der Stuttgarter Automanufakturen. Nein, hier kommt das Umland mit dem Boot und bevölkert bis zum Sonnenuntergang die Kanäle. Vom SUP, Gummiboot bis zum ehemaligen Rettungsboot ist alles vertreten. Die einzige Begrenzung ist die Durchfahrtshöhe der ab 16:15 Uhr geschlossen Brücken. Gefeiert wird auf allen Booten, teils mit Champagner im Champagnerkübel und entsprechenden Gläsern, überwiegend aber mit Bier. Angenehm ist, dass keine dröhnende Musik dabei ist. Die Bootsfahrer genießen den Abend und das Gesehenwerden.