Ups! Und dann Boulogne sur Mer

Heute 8:50 Brückenöffnung in der Calais Marina. Wir laufen in den Vorhafen vor der Marina und drehen gleich mal einige Warteschleifen, weil der Fährverkehr die Ausfahrt blockiert. Berufsschifffahrt hat absoluten Vorrang, was auch völlig in Ordnung ist. Wir haben heute nur eine kurze Strecke vor uns: Um das Cap Gris Nez rum nach Boulogne sur Mer. Es kommt wahrhaftig auf eine Stunde früher oder später nicht an. Wind: Fehlanzeige. Wir setzen zwar Großsegel und Genua, sehen aber ein, dass 1,5 kn Fahrt nicht wirklich zielführend sind. Das Groß kommt wieder weg, die Genua bleibt stehen, da leichte Brise von achtern. Der Strom scheibt mit und der Otto (Motor) auch. Vor Calais findet eine Fotosession statt: Ein holländischer Traditionssegler mit 3 Masten, hat alle Segel drauf, die er setzen kann und ein Hubschrauber steht über und/oder neben ihm und macht wohl Fotos (für den neuen Charterprospekt?). Das mag aber die Calais Coastguard und die Politie überhaupt nicht! Zumal der Großsegler fast im Fahrwasser dümpelt. Ein Schnellboot der Politie kommt angerauscht und geht am Großsegler längsseits. Der Hubi hat sich wohlweislich schon mal von Acker gemacht. Irgendwie werden die Kameraden sich geeinigt haben, denn die Politie düst wieder ab und nimmt sich den Frachter „Alcatel Lucent“ vor – und das am Samstag! Uns verschonen sie. Wahrscheinlich hat die französische Polizeigewerkschaft Samstagszuschläge ausgehandelt!
Wir haben Cap Gris Nez schon fast querab, als vor uns eine kohlrabenschwarze Wand steht. Der Wind dreht um 90 Grad und nimmt stetig zu und wir rollen die Genua nach und nach ein, zuletzt ganz weg – und das ist auch gut so, weil wir volle Lotte in die Regenfront rein fahren. Für ca. 45 Minuten bläst es aus vollen Rohren, in der Spitze 35 kn. Die Sunrise hat einen starken Motor und wir fahren mit gemäßigter Drehzahl gegenan. Es ist mal wieder Waschmaschine angesagt, was auch wirklich von Nöten war, denn die Möven in Calais hatten uns richtig vollgeschissen. Ist jetzt alles weg, sogar die feste Scheibe über dem Niedergang ist wieder Möwenscheiß frei. Immer alles positiv sehen! Die Ansteuerung von Boulogne sur Mer ist völlig unproblematisch, zwar ist der nördliche Wellenbrecher zum Teil weggebrochen und unter Wasser, aber das steht alles im Cannel Pilot drin und wer lesen kann ist wie immer klar im Vorteil. Um 14 Uhr liegen wir bereits in der tidenabhängigen Marina (kein Problem mit dem Tiefgang, wir haben Nippzeit und da steht eh noch etwas mehr Wasser. Die 2,7 m gemäß Hafenhandbuch haben wir locker unterm Kiel – jedoch nur an den ersten 2 Stegen. Der hintere Teil fällt trocken.) Die Kosten für den Liegeplatz sind im Rahmen, Stromanschluss, Duschen ohne Duschmarken und freies Wlan inkludiert. Einzig, es stinkt zeitweise tierisch nach Fischabfall, da gegenüber die Berufsschiffer anlegen, ihren Fang ausnehmen und den ganzen Abfall ins Wasser spülen. Natürliche Entsorgung und Wiederverwertung, kann man nicht meckern.
Am frühen Nachmittag machen wir uns auf zur Stadtbesichtigung. Riesiger Unterschied zu Calais, die Stadt lebt. Die Straßen sind bevölkert, Hochzeiten mit lärmendem Hubkonzert finden statt. In einer der Kirchen übt ein Organist für den Gottesdienst an Pfingsten. Wir sind von der Akustik und dem Spiel des Organisten in der alten (modrig riechenden) Kirche so beeindruckt, dass wir längere Zeit verweilen. Die alte Stadt Boulogne ist sehr schön, auf einem Hügel und umgeben von einer Stadtmauer, mittig ist auch der Dom. Wir gehen kurz rein, aber gleich wieder raus, weil im!!! Dom ein Touristenshop ist. Hallo, Katholische Kirche, was soll das denn! Wo bleibt da die Ethik? Auf dem Rückweg kaufen wir beim Carrefour Supermarkt die fehlenden Lebensmittel nach und kochen an Bord ein leckeres Ratatouille mit Reis. Der Abend klingt mit französischem Rosé (Elke) und Alter Notar (Trollinger Lemberger vom Rilling aus Cannstatt) für Walter, aus.